Ein kleines Kind

Ein kleines Kind
junge Kinder sind ja klein
steht vor einer Blumenwiese

Es frägt eine alte Frau
alte Frauen sind auch kleiner
als junge Frauen
ab und an
bleiben sie groß
doch dergleichen Frauen
müssen keine Tränen weinen

ob die Blumen Namen haben
ob die Gräser Namen haben
ob die vielen fliegenden und kriechenden
Wesen
Namen haben

Oh ja mein Kind
spricht da die Frau
ein jedes hat einen Familiennamen
die Vornamen kenne ich allerdings nicht

Dann werde ich ihnen welche geben
nachdem
ich ihre Familie kenne

sagt das junge Kind


Es ging bei jedem Wetter
am Abend zu der Wiese
die lebendig war

Die Wiese schien ein magischer Ort
da dort kein Mähen
kein Gülleschütten
keine Menschenarbeit war

Das Kind wußte nicht
es war eine Todeszelle
der Henker schliff schon längst das Beil

Das Kind kam an die Wiese
gestern zum vorletzten mal

Dort stand plötzlich ein Schild

Heute steht es da
zum letzten mal

die Wiese ist verschwunden
jetzt sind nur Bagger, Bulldozer,
sind Lärm und auch viele Menschen da

Annabelle Löwenzahn,
mit ihren tausend Schwestern
und würd ich jetzt
nur jene aufführen
die das Kind schon getauft hatte

käme ich mir doch noch dümmer vor
als ich es bin

wobei,

kann es etwas Dümmeres als mich auf dieser Welt
geben?

Kann es etwas Schuldigeres als mich auf dieser Welt
geben?

Meine Familie gibt es allerdings auch einige
Milliarden mal…….

Nur auf dieser Blumenwiese wurden
mehr als eine Milliarde Wesen hingerichtet
ja,
sie waren ja keine Menschen,
es waren nur Wesen,
andere, bedeutungslose,

nur sie waren wohl weniger dumm….

und wir sind sicher wenn auch dümmer,
doch wenigstens ebenso

bedeutungslos.

Es wäre ja noch das
mildeste Urteil,
das wir uns von uns bilden können,
da wer uns eine Bedeutung gibt,

der kann uns nur als Vernichter und
Mörder bis zum Tod des letzten Wesens
auf diesem Planeten
erkennen – oder?

Das kleine Mädchen war traurig,
es traf ein paar Tage später
auf die alter Frau

Es stellte wieder eine Frage

Warum die Erwachsenen die Wiese
kaputt gemacht haben
Was dort gemacht wird
Wofür das gemacht wird

Die alte Frau legte tröstend
ihre alte Hand auf die jungen Schultern

Das weiß ich nicht mein Kind,

aber Du wirst erwachsen werden,
vielleicht wirst Du es dann wissen.

Die beiden gingen noch eine Weile
am Wegesrand standen
noch lebendige Wesen
summten und surrten
leuchteten und dufteten
lebten

Da weinte die alte Frau plötzlich

Das Kind wollte die alte Frau trösten,

ich werde niemals aufhören
all diese Wesen zu lieben

Da erschrak die alte Frau

Wie willst Du so leben?
Du wirst vor Trauer nur noch eines wollen

Du wirst mit all diesen Wesen verschwinden wollen


Das hörte ein Passant

Was redest Du da Alte!

Lass das Kind in Ruhe,
hör auf die quälst es ja!

Die alte Frau verstand,
sie blickte zu dem Kind

mit ihren alten, matten, Augen,

sie dachte
er hat ja recht
er hat ja wirklich recht

wie habe ich das arme Kind nur gequält!

Die klugen Menschen sorgen dafür,
das die Welt ein wunderbarer Ort ist!

Der bestmögliche Ort, den es für Menschen nur geben kann!

Die dummen Menschen begreifen das nur nicht!

Über oberham

Einsiedler in Hinterwald
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3 Antworten zu Ein kleines Kind

  1. Stella, oh, Stella schreibt:

    Ja, lieber desensibilisieren als leiden …
    Ich gehore da auch zu den Dummen. Und ich möchte lieber leiden, als desensibilisiert werden.

    • oberham schreibt:

      Ich fürchte, wären wir nicht so dumm, würden wir das keinen Tag lang überleben, dieses Dasein, in diesem Irrenhaus, in dem wir ja trotz Dummheit nur überleben, da man uns, also mich, dich, das noch lebendige Individuum im Spektrum, noch nicht zur Schlachtbank getrieben hat, sondern uns noch im Stall hält, ob nun mit vollem oder leerem Trog, egal, das ist ja alles nur Zufall, wobei, natürlich, der kluge Mensch behauptet, es wäre sein persönliches Verdienst.

      In dieser Hybris kleidet sich die Dummheit, unser aller Dummheit und selbst der Verstand, der sich das ganze Potential eines menschlichen Gehirns erschließen kann, wird wohl nur die nächste Sekunde weiter existieren können, wenn er sich doch letztlich der Dummheit ergibt und die Konsequenzen seiner „Leistungen“ ausblendet.

      Oft wird von der Unendlichkeit menschlicher Dummheit geredet, nur, jener dem dieser Ausspruch zugeordnet wird, gilt als Großgeist.
      Jener Großgeist mag mir völlig unbegreifliche, komplexe Gedanken gesponnen haben, doch letztlich war er doch dumm genug, sich nicht minder der unendlichen Dummheit seiner Artgenossen hinzugeben!

      Wären wir nicht unendlich dumm, wären wir tot!

      Das dieses unendliche Dummheit von der Erde nicht auf längere Zeit toleriert wird, dürfte keine Erkenntnis, sondern schlichte Realität sein.

      Sicher kann man auch ein schmeichelhafteres Bild wählen, man muss nicht von Dummheit sprechen, man könnte auch schlicht von mangelnder Überlebensfähigkeit sprechen.
      Beim Menschen ist sie leider besonders fatal, außer man törstet sich damit, es muss eben so sein, da man sich einen „höheren“ Richter zu Hilfe holt.

      • Stella, oh, Stella schreibt:

        Rein theoretisch wären wir schon überlebensfähig, wenn wir uns den Gegebenheiten anpassen würden, anstatt dauern versuchten, die Gegebenheiten unseren individuellen Wünschen anzupassen, die sich ja auch noch widersprechen, und dabei sämtliche Naturgesetze ausser Acht liessen. Das kann auf die Dauer nicht gutgehen. Wir richten uns selber mit unserem Verhalten.

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